Auf den Spuren des
Schriftstellers Martin Luserke

Die Serie ,,Emder erzählen" brachte zwei bejahrte Männer zusammen, die fast Zeit ihres Lebens eines gemeinsam hatten: die Liebe zu maritimen Geschichten und das Interesse für den Mann, der diese in Emden erfand und schrieb.

Von EZ-Redaktionsmitglied IRIS HELLMICH

Die Serie "Emder erzählen" hat den Stein ins Rollen gebracht: In seinem Haus in Larrelt empfing der Emder "Erzähler" Rolf de Vries Besuch, auf den er sich schon lange gefreut hat: Dieter und Ursula Luserke, Sohn und Schwiegertochter, bzw. ehemalige Sekretärin des Schriftstellers Martin Luserke. Letzterer hatte in den dreißiger Jahren auf seinem Segelschiff "Krake" im Emder Falderndelft Piratengeschichten mit historischem Hintergrund zu Papier gebracht, aus denen später Bestseller wurden. Emden faszinierte Luserke besonders und bot für seine historischen Studien die beste Voraussetzung.

Im Lexikon ist der Name heute noch zu finden: "Luserke, Martin, *1880, +1968, deutscher Pädagoge und Schriftsteller, verdient um die Landerziehungsheime und das Laienspiel".

Wie er als Junge den Seeräubergeschichten an Bord der Tjalk "Krake" lauschte, hatte der heute 77jährige Rolf de Vries am 14. September vergangenen Jahres im Wochenmagazin der Emder Zeitung erzählt. Und diese Seite schickte einer der Verleger der Luserke-Bücher, Theo Schuster aus Leer, dem Ehepaar Luserke nach Bremen.

Nun saßen sie zu dritt am Tisch in Larrelt: Rolf de Vries und das Ehepaar, das den Mann kennenlernen wollte, der von den Büchern des Vaters so begeistert war und immer noch ist.

Welches denn nun das beste Werk Martin Luserkes sei? "Schon als 12jähriger habe ich den Roman "Hasko" verschlungen und habe das Buch letztes Jahr von meinem Dachboden wieder vorgeholt, als ich das Bild der "Krake" in der Serie "Altes Emden" sah, sagte Rolf de Vries.

"Obadjah und die ZK 14" wird von Dieter Luserke und seiner Frau favorisiert. Der damals 16jährige Dieter war Zeuge der zündenden Idee seines Vaters für dieses Buch:

Nachdem Luserke Holländern aus Zoutkamp ein völlig verwahrlostes See-Fischerboot für 400 Gulden abgekauft hatte, brachte er es 1934 auf die Oldersumer Werft, um es in die "Krake-ZK 14" umbauen zu lassen. Auf der viertägigen Überführungsfahrt, bei der auch Dieter dabei war, brach die Kajüte zusammen. Zahlreiche bauchige Schnapskrüge aus Ton wurden freigelegt. Daraufhin setzte Luserkes Phantasie ein: Jeden Abend erzählte er in drückend heißen Sommernächten an Bord abenteuerliche Geschichten zu seinem Schiff. Und daraus entstand später der fast 600 Seiten umfassende Roman, in dem die Tonkrüge eine beträchtliche Rolle spielen.

Aufgeschlagene Logbücher

Auch Martin Luserke selbst scheint dieses Werk am meisten von seinen Büchern geschätzt zu haben. 1957 schrieb er von seinem Altersruhesitz in Meldorf an eine Leserin in Emden: "Ihr Brief hat mich sehr gefreut, besonders da Sie den 'Obadjah' schätzen. Daran erkenne ich nämlich immer meine ganz wichtigen Leser."

Von "Lu" in deutscher Schrift angefertigte Logbücher lagen auf dem Tisch ausgebreitet. Es sind alte Klassenbücher der geschlossenen "Schule am Meer", die Luserke 1924 auf Juist gegründet hatte. Über die erste Seefahrt steht eingetragen: "Glatte Fahrt nach Emden. Nach langem Warten vor der Eisenbahnbrücke legen wir bei Dunkelheit im Delft neben der Straße an. Schöner, romantischer Liegeplatz. . ."

In alten Seefahrer-Erinnerungen schwelgend, stellten Rolf de Vries und Dieter Luserke eine Parallele in ihrem Leben fest: Beide fuhren auf ein und demselben in Emden gebauten Schiff, allerdings zu verschiedenen Zeiten. Auf dem Erzdampfer "0din" heuerte Dieter Luserke 1935 als "Moses" an. Die Reise ging von Hamburg nach Südamerika. Und die Besatzung bestand nur aus Ostfriesen. De Vries führ einige Jahre später - 1938 - als Zimmermann auf demselben Schiff die Strecke Emden-Narvik.

Letzte Ruhestätte in Hage

Die meisten Bücher entstanden in den dreißiger Jahren, als Luserke schon ein Mann in den Fünfzigern war. Damals brachte der ehemalige Reformpädagoge, nach dessen Theorien immer noch an manchen Hochschulen gelehrt wird und über den noch heutzutage Examensarbeiten und Dissertationen geschrieben werden, einige Literatur auf den Markt, die in ganz Deutschland gelesen und auch in andere Sprachen übersetzt wurde.

"Für uns ist es ein gutes Gefühl, daß mein Vater immer noch nicht vergessen ist", sagte Diete Luserke. Noch heute stehen einige seiner Bücher in den Buchläden zum Verkauf.

Besonders gefreut hat die Luserkes während ihres Ostfriesland-Besuches, daß das Grab in Hag immer noch von Luserke-Lesern besucht wird. "Wir haben mit dem Friedhofsgärtner gesprochen. Er erzählte uns, daß häufig Menschen nach dem Grab fragen. Sehr interessiert wollte er mehr über den Mann wissen, dessen Grab seit 1968 gepflegt wird." So könne er den Leuten, von denen viele von weit entfernten Orten kämen, mehr Informationen geben.

In Dieter Luserkes Erinnerung wurde bei seinem Emden-Besuch wieder ganz lebendig, wie er eine Zeitlang mit seinem Vater an Bord der "Krake" im Falderndelft wohnte. Auch die Wohnung in der Beuljenstraße, in der sie 1935 gemeinsam überwinterten, stand ihm wieder klar vor Augen:

,,In einem Eckhaus hatte Vater zwei Zimmer gemietet. Es war ein finsteres Haus mit einer steilen Treppe. Auf seinem Wohnungsschild stand:

,,Martin Luserke
Reichschrifttumskammer
A 6365 Emden, Ostfriesland
Beuljenstraße 4"

"Nie wieder Juist"

Auguste Schwarting hat uns den Haushalt geführt. Sie hatte ein ganz kleines Zimmer für sich allein. Bis an sein Lebensende kümmerte sie sich um meinen Vater, den später bitterlich das Rheuma plagte."

Das Haus steht heute nicht mehr. Und auch in Oldersum hat sich vieles geändert - dort, wo einst der Weg der alten "Krake-ZK 14" begann. Dieter Luserke geht in Gedanken in alte Zeiten zurück.

Unvergeßlich seien ihm die Fahrten auf der Krake, auf der sie nicht immer allein waren. "Manchmal kamen ehemalige Schüler oder Schülerinnen meines Vaters in ihren Semesterferien mit." "Hand gegen Koje" nannte "Lu" das. Leute waren an Bord, von denen manche später sehr bekannt wurden. Zum Beispiel Beate Köstlin, die heute als Beate Uhse nahezu jedermann kennt.

An Bord der Krake (von links):Martin Luserke, seine frühere Schülerin Beate Köstlin, diespäter unter dem Namen Beate Uhse prominent wurde,sowie Erzieherin Erna Wehnert.









Nachdem die Frau Luserkes und Mutter seiner vier Kinder gestorben war und die Nationalsozialisten die "Schule am Meer" schließen ließen, wollte "Lu" die Insel für immer verlassen. Vorbei die Zeiten mit dem Ziel, als Mathematiklehrer die "Schule des exakten Denkens" zu vermitteln, vorbei die Theatergruppen des Laienspiels seiner Schüler.

Als Schriftsteller wollte der gebürtige Berliner fortan von Frühjahr bis Herbst die Nord-und Ostseeküsten erforschen und sich nach Wikinger-Art während der Wintermonate ein Quartier suchen. Das fand er in der Beuljenstraße in Emden. Dieter, mit damals 15 Jahren der jüngste seiner drei Söhne, begleitete ihn zeitweise - wenn er nicht gerade an Bord eines großen Schiffes fuhr, um Seemann zu werden.

Einen Bombenvolltreffer erhielt die "Krake" am 18. Juni 1944 auf der Werft in Finkenwerder. Dieter Luserke: "Das war ein Ende, was wir akzeptieren mußten und auch konnten. Ich hätte es noch weniger ertragen, wenn die 'Krake' unter einem anderen Team weitergefahren wäre."

Der vorstehende Artikel erschien am 5. Juli 1997 im Wochenmagazin der Emder Zeitung
in der Reihe "Emder erzählen" (127. Folge)

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